Was passiert nachts vor unserer Haustüre? Die Nacht ist nicht unbedingt Schlafenszeit, zumindest nicht für viele Tiere. Denn sie werden erst wach, wenn die Sonne untergeht. Etwa zwei Drittel der Tierarten weltweit sind nachtaktiv, dazu zählt rund die Hälfte aller Insektenarten.1
Nachtaktive Tiere sind auf Dunkelheit und natürliches Licht von Mond und Sternen angewiesen, um sich erfolgreich zu orientieren, fortzubewegen, fortzupflanzen, zu jagen bzw. Futter zu suchen sowie um Räubern und Nahrungskonkurrenten auszuweichen. Kunstlicht in der Nacht beeinflusst Lebensfunktionen und -abläufe sowie das Verhalten von Tieren, was sich in Anlockung, Vertreibung oder Verlust der Orientierung äußert.
Die Helle-Not-Cartoons thematisieren die Konfrontation der heimischen Tierwelt mit Lichtverschmutzung.
Viele Sportstätten befinden sich in naturnaher Umgebung und am Siedlungsrand. Eine Folgeerscheinung der nächtlichen Nutzung von Sportstätten ist Lärm durch den Betrieb und im Fall der Schipistenbeleuchtung noch längere Unruhe durch die Verschiebung der Pistenpräparierungszeit bis spät in die Nacht.1 Dies kommt dem Alpenschneehasen nicht entgegen, denn er ist vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Die Tiere haben auch mit anderen Herausforderungen zu kämpfen: Sie sind Hochgebirgsbewohner; der Klimawandel lässt Höhenstufen nach oben wandern so wird der Gipfel schlussendlich zur Falle für den Alpenschneehasen.2 Rotfüchse sind in Menschennähe vorwiegend nachtaktiv, Hasen können durchaus auf ihrem Speiseplan stehen. Viele Tiere, darunter Raufußhühner und Rotwild, müssen im Winter aufgrund des Nahrungsmangels mit ihrer Energie haushalten. Beunruhigung durch bspw. Lärm und Licht lässt den Stoffwechsel hochfahren, die Tiere werden geschwächt.
Die meisten Frosch- und Krötenarten sind teils oder vollkommen nachtaktiv und haben einen ausgeprägten Sehsinn. Der Grasfrosch kann sogar im Dunklen Farben wahrnehmen.1 Und die Erdkröte benötigt nur einen Bruchteil des Sternenhimmel-Lichts – 0,00001 lx – für den nächtlichen Beutefang.2 Um diesen Wert in Relation setzen zu können: Die max. Vollmondhelligkeit beträgt 0,3 lx. Nachtaktive Amphibien reagieren empfindlich auf Blendungen; die Dunkeladaptation kann mehr als eine Stunde andauern, in dieser Zeit fehlen wichtige visuelle Informationen.2 Erdkröten bewegen sich im März bzw. April von ihren Winterquartieren zu den Laichgewässern, besonders zwischen der Dämmerung und 22 Uhr sind Massenwanderungen zu beobachten. Erdkröten nutzen dabei dunkle Passagen, sie meiden Straßenbeleuchtung.3 Lebensraumverlust und Straßenverkehr sind große Gefahren für die Tiere.
Naturnahe, giftfreie Gärten, Parks oder Friedhöfe mit Hecken, Durchschlupf-Möglichkeiten unter Zäunen sowie Laub- und Asthaufen sind gute Lebensräume für den dämmerungs- und nachtaktiven Braunbrustigel. Im April erwacht er aus dem Winterschlaf. Die Tiere begeben sich im Schutz der Dunkelheit mit ihrem sehr feinen Geruchsinn auf die Suche nach Insekten & Co. Urbane Igel meiden nachgewiesenermaßen künstlich beleuchtete Bereiche.1 Lichtverschmutzung steigt mit zunehmender Verbauung, Lebensräume werden zerschnitten und zerstört. Straßen in den Siedlungsgebieten sind viel zu häufig eine tödliche Igel-Falle. Rotkehlchen, Amseln, Kohl- und Blaumeisen beginnen in beleuchteten Lebensräumen früher im Jahr mit dem Morgengesang. Die Folge ist eine frühere Brut, Nahrungssuche und Entwicklung, was wiederum die Lebenserwartung der Tiere beeinträchtigen kann.2 Unter Laborbedingungen wurde festgestellt, dass eine stetige nächtliche Lichtintensität von 0,3 lx (Vollmondhelligkeit) männliche Amseln langfristig unfruchtbar macht.3
Die allermeisten Schmetterlinge sind in der Nacht aktiv. Nachtfalter sind bedeutende Pflanzenbestäuber. Betörender Duft und helle Blütenfarbe zeichnen viele Pflanzen aus, die sich auf nachtaktive Bestäuber verlassen. Durch nächtliches Kunstlicht sinkt die Bestäubungsleistung nachweislich, weniger Früchte bzw. Pflanzensamen werden ausgebildet.1 Lichtverschmutzung und insbesondere die Anlockwirkung von Kunstlicht spielt eine Rolle für den vergleichsweise massiven Schwund an Nachtfaltern.2 Brückenkreuzspinnen bauen Netze gerne an baulichen Strukturen in Gewässernähe und profitieren von angelockten Insekten.3 Spaltenkreuzspinnen hingegen benötigen natürliche Dunkelheit für den Netzbau.4
Eier, Larven, Puppen, Weibchen (sie sind nicht flugfähig) sowie Männchen des Kleinen Leuchtkäfers leuchten. Diese besondere Gabe wird Biolumineszenz genannt, sie dient der Feindabwehr und Partnerfindung. Der Leuchtstoff Luciferin wird durch das Enzym Luciferase oxidiert, die Reaktionsenergie lässt Organismen leuchten. Kunstlicht kann die Fortpflanzung der Käfer verhindern, so wird bspw. die Reichweite der tierischen Lichtsignale massiv eingeschränkt.1, 2
Um sich im Dunkeln orientieren und Insekten fangen zu können, nutzen Fledermäuse die Echoortung. Sie senden Ultraschall aus und lesen das Echo. Die Flugsäuger haben jedoch auch lichtempfindliche Augen. Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes (z.B. Kleine Hufeisennase1), verspäteter Ausflug aus den Quartieren (z.B. Wimperfledermaus2) und Aufgabe von Quartieren (z.B. Braunes Langohr3) sind negative Auswirkungen des nächtlichen Kunstlichteinsatzes. Der Große Abendsegler bspw. jagt vom Kunstlicht angelockte Insekten, Mausohren hingegen meiden beleuchtete Bereiche.4 Die Kleine Hufeisennase verschwand in einigen Bergtälern der Schweiz vollkommen, nachdem Straßenbeleuchtung installiert wurde. Gleichzeitig verbreitete sich die weniger lichtscheue Zwergfledermaus in diesen Bereichen. Der Verdacht liegt nahe, dass die Kleine Hufeisennase durch Konkurrenzdruck verschwand. Beide Arten sind ungefähr gleich groß und haben das gleiche Nahrungsspektrum.5 Auch dass so manch tagaktiver Vogel nächtliches Kunstlicht zu seinem Vorteil nutzt, wurde bereits beobachtet.6
Einige Fische sind nachts aktiv, so auch der Flussbarsch, er jagt gerne in der Dämmerung. Unter Laborbedingungen wurde herausgefunden, dass nachts bereits eine Lichtintensität von 1 lx die Melatonin-Produktion im Flussbarsch unterdrückt.1 Das Phänomen der gehemmten Melatonin-Synthese durch Kunstlicht in der Nacht tritt also nicht nur beim Menschen auf. Während das Hormon unter anderem für unsere Regeneration von Bedeutung ist, sind die weitreichenden Auswirkungen auf viele Organismen unbekannt. Ein weiteres nachtaktives Wassertier ist der Edelkrebs. Edelkrebse häuten sich vor allem während dunkler Mondphasen; die Vermutung liegt nahe, dass sie sich mit dieser Anpassung vor Räubern schützen.2 Eine Untersuchung im Kanton Zürich verglich das Vorkommen von heimischen Krebsen mit vorhandenen nächtlichen Helligkeiten, keine Individuen kamen in potentiell geeigneten Habitaten mit stetigen Helligkeiten von über 0,75 lx vor; auch andere Faktoren wie Strukturarmut und schlechte Wasserqualität gefährden an diesen Standorten die Tiere.3 Im Schutz der Nacht schwimmen tierische Kleinstlebewesen, wie Wasserflöhe, in Richtung Wasseroberfläche und ernähren sich dort von Algen. Bereits Helligkeiten, die von Lichtglocken der Städte verursacht werden, unterdrücken den nächtlichen Aufstieg. Dies kann die Nahrungskette in Gewässern stören und zu häufiger Algenblüte führen.4
Der Uhu ist die größte Eule der Welt. Die Vögel können ihren Kopf bis zu 270 Grad drehen. Das wichtigste Sinnesorgan sind die Ohren, allein mit Hilfe des Gehörs können Eulen ein Beutetier lokalisieren und schlagen. Nachtaktive Säugetiere meiden offenes Gelände bei Vollmondlicht (max. 0,3 lx), sie schränken ihre Aktivität ein – wahrscheinlich um von potentiellen Räubern nicht gesehen zu werden.1 Im Gegenzug wurde beobachtet, dass Uhus rund um Vollmond bewegungsfreudiger sind, längere Strecken zurücklegen und schneller fliegen.2 Die Studien legen nahe, dass Tiere bereits bei sehr geringen nächtlichen Beleuchtungsstärken ihre Verhaltensweise ändern. Lichtsmog beleuchteter Täler und Städte dringt bis in natürliche Gebiete vor und beeinflusst Lebensräume und Arten.
Die meisten Zugvögel wandern in der Nacht, da sie weniger Luftturbulenzen ausgesetzt sind und Energie sparen. Die Hauptzugzeiten sind von Februar bis Mai sowie von August bis November. Zugvögel, aber auch wandernde Fledermäuse, werden durch angestrahlte Objekte, Skybeamer und großflächig beleuchtete Areale in ihrer Orientierung gestört und geschwächt – mitunter mit tödlichem Ausgang.1, 2 Am Alpenrand, an Gebirgsübergängen und in manchen Tälern können sich Vogelzüge konzentrieren, weshalb die Beleuchtung von Burgen, Berghütten, Gipfelkreuzen etc. an diesen Standorten zu vermeiden ist. Auch Windräder sind in jenen Bereichen eine letale Falle für die Tiere. Rund um Neumond verstärkt sich die Anziehungskraft der beleuchteten Anlagen; Dauerbeleuchtung lockt und irritiert mehr Zugvögel als blinkendes Licht,3 welche Erkenntnis wiederum hinsichtlich der Warnleuchten für den Flugverkehr bedeutend ist.
Menschen fühlen sich immer häufiger durch exzessiven Lichteinsatz des Nachbarn gestört. Zumindest können sich Menschen-Nachbarn verständigen und eine Lösung finden. Hat man den heimlichen, gefährdeten Gartenschläfer als Nachbarn, so muss man wissen, dass er ein nachtaktives Nagetier ist und die Dunkelheit braucht um Fressfeinden auszuweichen und mit empfindlichen, angepassten Sinnen Futter zu suchen. Der Schläfer ist ein Allesfresser, auch Nacktschnecken werden nicht verschmäht. Gartenschläfer leben trotz ihres Namens auch gerne im Wald. Nächtliches Kunstlicht verkleinert und zerschneidet den Lebensraum von Säugetieren, das Risiko als einfache Beute zu enden ist erhöht; bereits Vollmond-Helligkeit (max. 0,3 lx) verursacht bei vielen Nagetieren eine reduzierte Aktivität und Nahrungsaufnahme.1 Und tatsächlich regenerieren sich Pflanzen nachts, Dauerbestrahlung schädigt das Fotosynthesevermögen.2